Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.“
(Artikel 17 Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland)
Viele Bürger*innen fordern seit langem mehr direkte Beteiligung am und Mitsprache im politischen System und sind nicht mehr bereit, sich nur passiv durch Wahlen an Politik zu beteiligen. Auch zahlreiche Menschen in Bochum wollen konkret an Projekten mitarbeiten und Projekte mitentscheiden.
Rückblickend ist allerdings festzustellen, dass Bürgerwillen in unserer Stadt offenbar keine große Bedeutung hat. Vor allem in den vergangenen Wochen konnten wir dieses feststellen. Zwei Beispiele nur: Die mehr als 10000 Unterschriften für den Erhalt der Freibäder in Langendreer und Höntrop werden schlichtweg ignoriert. Die Grundsatzdiskussion über die künftige Gestaltung des August-Bebel-Platzes findet in bester Hinterhofmanier im stillen Kämmerlein statt und die Bürger*innen Wattenscheid bleiben außen vor. Mit Klarheit, Wahrheit, Offenheit hat diese politische Kultur leider nichts am Hut.
Und nun geht’s um den RadEntscheid. Da möchte die Verwaltung einen Bürgerentscheid verhindern. Richtig ist, dass es Formfehler gab. Aber diese Formfehler dürften im Ermessensspielraum der Verwaltung liegen, um den Antrag dennoch als zulässig zu erklären.
Ein Bürgerentscheid würde die einmalige Möglichkeit bieten, wie die Menschen über den Radfahrverkehr in Bochum denken und er würde zudem zur Klärung beigetragen, wieviel Radinfrastruktur dann tatsächlich Sinn macht. Es sollte unserer Meinung nach deswegen nach Möglichkeiten gesucht werden, wie die Bürger*innen in einer rechtssicheren Fragestellung über das Anliegen des Radentscheides abstimmen können.
Die aktuelle Vorgehensweise, in der Ratssitzung einen Minimalkonsens von SPD, Grünen, CDU und FDP als Antrag an Stelle eines Bürgerbegehrens zu verabschieden, stellt weder die Initiatoren des Radentscheides noch die Bürger*innen, die sich endlich mehr echte Beteiligung wünschen, zufrieden.
In der Debatte geht es letztlich nicht nur um die Ziele des Radentscheids, es geht schlicht und einfach um Demokratie in unserer Stadt. Gut organisierte Bürgerbeteiligung, die auch ernst genommen wird, erhöht unser aller Zufriedenheit, stärkt unser Vertrauen auch in die repräsentativen Institutionen und gibt uns die Sicherheit, dass Demokratie funktioniert. Ignoranz bewirkt genau das Gegenteil: Sie zerstört Vertrauen und schafft Unzufriedenheit. Die Politikverdrossenheit wird weiter verstärkt und die Wahlbeteiligung wird weiter sinken.
Mehr Bürgerbeteiligung stärkt die politische Kultur, sorgt für demokratisches Interesse, Kompetenz und Engagement. Sie ist zwingend förderlich, um unsere Solidargemeinschaft am Leben zu erhalten. Politische und ideologische Ränkespiele sind somit völlig fehl am Platz, vor allem dann, wenn Landtagswahlen vor der Tür warten.
Für die Fraktion der UWG: Freie Bürger:
Hans-Josef Winkler (stv. Fraktionsvorsitzender und Ratsmitglied)