Bei der Abschlussveranstaltung des Projektes „Urbane Produktion Ruhr“, die kürzlich im LutherLab in Bochum-Langendreer stattfand, wurde in den Vorträgen noch einmal deutlich, dass es für unsere Städte ein Umdenken geben muss. Hans-Josef Winkler: „Unter den Bedingungen der Globalisierung, sozial gerechter, ökologisch nachhaltiger und gleichzeitig produktiver zu werden, kann der Themenbereich Urbane Produktion durchaus Antworten auf die aktuelle Problemlage liefern.“

Für die UWG-Freie-Bürger ist der Ansatz „Inklusive Stadt“ (ein Mosaik aus unterschiedlichen Arbeitswelten, Wohnlandschaften und Lernarenen), nicht neu: „Wir beschäftigen uns seit geraumer Zeit mit dem Thema, sind auch regelmäßig mit den Urbanisten im Gespräch und haben vor allem das Projekt WatCraft in Wattenscheid begleitet“, sagt Winkler, der gemeinsam mit Ulli Engelbrecht verwundert feststellen musste: „Wir waren bei der Veranstaltung die einzigen Vertreter aus der Politik. Offensichtlich ist dieses wichtige Thema in den Bochumer Fraktionen noch nicht angekommen oder es hat für die Kolleg*innen keine Relevanz.“

Durch technische Entwicklungen, wie zum Beispiel dem 3-D-Druck, entstehen neue Fertigungsmöglichkeiten, die auch in neue Wirtschaftszweige münden können. Junge Gründerfirmen beschäftigen sich zum Beispiel mit dem Upcyling, stellen aus Rest- und Altholz Möbel, Leuchten oder Wohn-Accessoires her. Oder sie wollen ein Food-Labor etablieren (Gemeinschaftsküche zum Ausprobieren, in der selbstgemachte Marmeladen oder andere Produkte hergestellt und verkauft werden können) oder möchten die Idee des Unverpackt-Ladens vorantreiben.

Bochum sei die Stadt des „produktiven Wissens“, sie sei gut aufgestellt und offen für die Zukunft. Als ein wesentliches Beispiel dafür diene die Neuausrichtung der ehemaligen Opel-Fläche, machte Stadtbaurat Dr. Markus Bradtke klar. Professor Dieter Läpple von der Hamburger HafenCity-Universiät (HCU), Experte für Stadt- und Regionalökonomie, führte in seinem Vortrag unter anderem aus, dass es nicht die digitale Bohème sei, die in der Stadt Arbeitsplätze schafft, und auch nicht die Kreativwirtschaft. In den Metropolen würden mehr Betriebe im verarbeitenden Bereich gegründet als in anderen Regionen, Unternehmen im Lowtec-Bereich hätten den größten Anteil an industriellen Neugründungen. Das sei eine Chance fürs Ruhrgebiet, eben auch für Bochum, da hier die Leerstände neu belebt werden könnten. Dazu gehöre aber auch – Stichwort: Erbaurecht – ein völlig neues Konzept, um mit Eigentümern und Immobilienverwaltungen ins Gespräch zu kommen.

In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundprojekt UrbaneProduktion.Ruhr wurde von Oktober 2016 bis Dezember 2019 erforscht, ob und wie es möglich ist, Produktion in die Stadt zurückzubringen. Zunächst fand eine grundlegende, theoretische Analysephase unter Berücksichtigung europaweiter Beispiele für die Wiederentdeckung des produzierenden Sektors durch Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung statt. Danach wurden ausgewählte Maßnahmen beispielgebend im Ruhrgebiet erprobt.

Dafür wurden in zwei Stadtteilen Bochums zunächst die räumlichen, baulichen, politischen und rechtlichen Voraussetzungen für Urbane Produktion überprüft. In diesen sogenannten Reallaboren Bochum-Langendreer und Bochum-Wattenscheid wurde über die Kontaktherstellung zwischen jeweils einer Schlüsselimmobilie und relevanten Akteuren das Thema Urbane Produktion vor Ort eingebracht, diskutiert und gemeinsam versuchsweise umgesetzt. Dabei wurde die Strategie der Festivalisierung verfolgt: Für einen begrenzten Zeitraum wurden 2017 das LutherLAB – die ehem. Lutherkirche in Langendreer – sowie 2019 das WatCraft – ein Ladenlokal in der Wattenscheider Hochstraße – zu Knotenpunkten für Workshops, Vorträge und Coworking rund um die Themen Urbane Produktion, Stadt selber machen und kleinteilige Unternehmensgründungen.

Das „Handbuch Urbane Produktion“ steht hier zum Download bereit: https://urbaneproduktion.ruhr/publikationen/handbuch-urbane-produktion